1946 - 1968

Aufstieg zum Mähdrescherspezialisten

Der Mähdrescher erfreute sich in der Nachkriegszeit immer größerer Beliebtheit. SUPER, EUROPA und MATADOR sind nur einige Namen, die für den Aufstieg der Firma CLAAS zu einem der welt führenden Mähdrescherhersteller stehen. Auf dem Höhepunkt der Mähdrescherproduktion im Jahr 1965 verließen über 22.000 Mähdrescher das Stammwerk in Harsewinkel.

1946 - 1968

Aufstieg zum Mähdrescherspezialisten

Der Mähdrescher erfreute sich in der Nachkriegszeit immer größerer Beliebtheit. SUPER, EUROPA und MATADOR sind nur einige Namen, die für den Aufstieg der Firma CLAAS zu einem der welt führenden Mähdrescherhersteller stehen. Auf dem Höhepunkt der Mähdrescherproduktion im Jahr 1965 verließen über 22.000 Mähdrescher das Stammwerk in Harsewinkel.

Aufstieg zum Mähdrescherspezialisten

Die CLAAS Mähdrescherpioniere der 1930er- und 1940er-Jahre – Professor Karl Vormfelde, Dr. Walter Brenner und August Claas – hatten mit der Markteinführung des Mäh-Dresch-Binders die Tür zum Mähdruschverfahren in Europa aufgestoßen. Nach knapp 1.400 erfolgreich abgesetzten Maschinen im Markt wussten sie, dass kein Weg mehr am Mähdrescher vorbeiführt. Um den gewonnenen Vorsprung zu halten, konzentrierten die Claas-Brüder sämtliche Unternehmensressourcen auf den Mähdrescherbau. 1968 feierte man bereits das 200.000. Produktionsjubiläum. CLAAS stieg damit zu einem der weltweit führenden Mähdrescherhersteller auf.

Silberner Glanz auf dem Harsewinkeler Firmengelände im Jahre 1948. Die SUPER Mähdrescher verließen in großer Stückzahl die Produktion. Insgesamt wurden von 1946 bis 1978 über 65 000 Stück dieser Mähdrescherfamilie gebaut.

Im Sommer 1946 gingen Regierungsvertreter aus London täglich im Werk Harsewinkel aus und ein und überprüften die Produktionsanlagen und die halbfertigen oder fertig gebauten Maschinen. Wie in Deutschland, so gab es auch in der Landwirtschaft auf der britischen Insel kurz nach dem Krieg einen hohen technischen Nachholbedarf. Um das drängende Ernährungsproblem daheim und in den besetzten Gebieten in den Griff zu bekommen, schaute man sich auch beim ehemaligen Kriegsgegner genau um – und wurde schließlich in der Entwicklungsabteilung bei CLAAS fündig.

Der Schock bei CLAAS war groß, als die Vertreter der britischen Militärregierung einen der drei brandneu entwickelten SUPER Mähdrescher beschlagnahmten und nach England verschifften. Man befürchtete, dass die neue Maschine, auf die das Unternehmen seine Zukunft bauen wollte, nun als Reparationsleistung von englischen Herstellern fabriziert werden würde. Doch die Sorge war unbegründet.

Ein englisches Versuchsinstitut, das die Maschine im Auftrag des Agrarministeriums unter britischen Erntebedingungen lediglich testete, verlieh dem CLAAS Mähdrescher eine erstklassige Note. Dabei konnte sich der SUPER sogar gegen die englische und die amerikanische Konkurrenz durchsetzen. Für das Unternehmen war damit eine wichtige Voraussetzung zum Neustart nach dem Krieg erfüllt. Sie durften die Produktion ihres Mähdreschers endlich aufnehmen. Es gab wieder Materiallieferungen, die das Werk mit den nötigen Rohstoffen wie Eisen, Gummireifen aber auch Kohle und Holz versorgten. Die Fabrikanlagen in Harsewinkel konnten ausgebaut werden und auch die Räume der Entwicklungsabteilung füllten sich allmählich wieder mit Leben.

Bereits im Juli 1947 wurden die ersten 13 Mähdrescher auf die britische Insel verschifft. Sie gingen an die Firma „Mann & Son“ in Saxham. Das Unternehmen im ostenglischen Getreideanbaugebiet war bislang Händler für Lanz-Maschinen und sollte nun den Vertrieb der CLAAS Mähdrescher übernehmen. Schon in den Jahren 1948 und 1949 lieferte das Werk mehrere hundert Maschinen nach England. Der Neustart für das Unternehmen war gelungen

Wettlauf um die Marktführerschaft


Der SF, der erste selbstfahrende CLAAS Mähdrescher, hatte eine Schnittbreite von 2,40 Meter. Er wurde von Anfang an wahlweise mit Korntank oder, wie hier, noch mit Absackstand geliefert.

Im übrigen Europa und vor allem in Deutschland stand nach dem Krieg die Produktion von Mähbindern und stationären Dreschmaschinen dagegen noch in voller Blüte. Daran sollte sich auch bis weit in die 1950er-Jahre nicht viel ändern. CLAAS dagegen war fast alleiniger Anbieter von Mähdreschern in Europa. Zum einen waren bei Weitem noch nicht alle vom neuen Mähdruschverfahren überzeugt, zum anderen war der Vorsprung seit dem Entwicklungsbeginn im Jahr 1930 und mit den knapp 1.400 Maschinen im Feld nicht leicht einzuholen. Erst allmählich zogen auch die Wettbewerber nach. Ende der 1950er Jahre hatten auch sie sich auf dem Kontinent formiert, und es gab bald mehr als 30 Mähdrescherhersteller in Europa. Der Wettstreit um die Marktführerschaft beim Mähdrescher war damit voll entbrannt.

Lange davor hatte man in Harsewinkel allerdings Vorsorge für diesen Fall getroffen. Jeden Morgen trafen sich die drei geschäftsführenden Gesellschafter – die Gebrüder August, Franz und Theo Claas – zwanglos im „Geschäftszimmer" zum Post lesen. Der Vertriebsleiter Walter Voss und der Betriebsleiter Alfons Siepenkort saßen mit am Tisch. Am Ende der Sitzung waren alle bestens informiert über den aktuellen Stand der Geschäfte in dem kleinen Familienunternehmen. Häufig traf man sich auch noch gegen Abend entspannt nach getaner Arbeit zu einem Münsterländer Korn. Beim „Klönen“ und einer Zigarre wurden oft die besten Ideen geboren, und manchmal wurde es ziemlich spät.

In diesem Kreis fiel auch die strategisch bedeutsame Entscheidung, mit höchster Priorität die Marktführerschaft bei Mähdreschern in Europa zu halten. Das war ein ehrgeiziges Ziel für ein relativ kleines Unternehmen angesichts weitaus größerer internationaler Wettbewerber. Es stellte sich bald heraus, dass die größte Schwierigkeit darin bestand, bei der rasant steigenden Mähdreschernachfrage mitzuhalten und lieferfähig zu bleiben.

Alles auf eine Karte

Um mit der zunehmenden Konkurrenz mithalten zu können, musste die Firma ihre Fertigungskapazitäten daher erheblich steigern und vor allem den Vertrieb ausbauen. Keine leichte Aufgabe für ein auf Selbstfinanzierung angewiesenes Familienunternehmen. Aus diesem Grund beschlossen die Gesellschafter, sämtliche Unternehmensressourcen - Personal, Entwicklung, Fertigung und Vertrieb - auf den Mähdrescher zu konzentrieren. Die Produktion aller anderen Produkte, sogar das lukrative Pressengeschäft, mit dem sich das Unternehmen einen Namen geschaffen hatte, wurde dafür drastisch zurückgefahren.

Bereits 1948 hatte man das erste Zweigwerk in Gütersloh-Blankenhagen errichtet - eine Gießerei, welche das Mähdrescherwerk in Harsewinkel fortan mit Gussteilen versorgte. Sechs Jahre später, im November 1956, gründete man einen dritten Produktionsbetrieb in Paderborn, der die Fertigung der Antriebs- und Hydraulikkomponenten für den Mähdrescher übernahm. Selbst im französischen Nachbarland hielt man Ausschau nach geeigneten Produktionsstandorten. 1953 hatte August Claas in St. Remy-Woippy bei Metz in Lothringen ein etwa 9 ha großes Baugrundstück erworben. Hier, im Herzen Europas, dem Dreiländereck Frankreich-Deutschland-Luxemburg, plante er, eine Produktion für Pressen komplett neu aufzubauen. Langwierige Verhandlungen mit der französischen Bahngesellschaft S.N.C.F. verzögerten jedoch den Bau des neuen Pressenwerks, so dass die Produktion erst im Herbst 1961 anlaufen konnte. 1960 kam zudem in Schloss-Holte bei Bielefeld ein weiteres Werk für Hydraulikteile hinzu.

Eine neue Ära beginnt. Eine Parade der ersten selbstfahrenden CLAAS Mähdrescher, die ab 1953 eingeführt wurden.

Werbung für den Mähdrescher

Farbige Werbebroschüren begleiteten bereits in den 1950er-Jahren den Verkauf der Mähdrescher.

Auch vertriebsseitig unternahm man große Anstrengungen, um neue Märkte für den Mähdrescher zu erschließen. Ende 1950 reisten August und Sohn Helmut Claas für mehrere Wochen nach Südamerika (Uruguay, Argentinien, Brasilien), um ausgiebig die Einsatzmöglichkeiten der CLAAS Maschinen zu testen und neue Geschäftsverbindungen für den Export aufzubauen. Sogar ein Produktionsstandort in Uruguay wurde in Erwägung gezogen, die Idee am Ende jedoch verworfen.

Um den Absatz zu fördern, war vor allem der Aufbau der Vertriebsstrukturen von zentraler Bedeutung. Für den Verkauf waren so genannte Werksvertreter installiert worden, deren Aufgabe es war, geeignete Händler und Agenten in den jeweiligen Märkten ausfindig zu machen und diese zu betreuen. Später ernannte CLAAS für jedes Land einen Generalimporteur, der verantwortlich für Import und Distribution war. Das Unternehmen pflegte in der Regel sehr intensive und freundschaftliche Beziehungen zu diesen Auslandsvertretungen.

Außerdem führte es eine Vielzahl von Marketingmaßnahmen ein. Die größte Wirkung erzielte man mit praktischen Feldvorführungen und Landmaschinenausstellungen. Diese wurden in eindrucksvoller Weise regelmäßig mit Hilfe des Kundendienstes und den Auslandsvertretungen durchgeführt.

Für die professionelle Vermarktung und Kundenansprache wurde bereits Mitte der 1950er schließlich sogar eine Abteilung Presse und Werbung gegründet. Sie sollte mit regelmäßigen Anzeigen in der landwirtschaftlichen Fachpresse die Akzeptanz für das neue Mähdruschverfahren steigern. Das Anzeigenvolumen wuchs schnell: Zunächst halbseitige Formate, bald dann nur noch ganze Seiten, womit CLAAS in jener Zeit zum Vorreiter in der Landmaschinenindustrie wurde. In Saisonzeiten erschien das Unternehmen jede zweite Woche in den Wochenblättern. Zudem wurden Maschinenprospekte umfangreicher, farbiger und informativer gestaltet und auch auf gezielte Briefwerbung und anschauliche Werbefilme wurde nicht verzichtet, um die noch immer in großer Zahl vorhandenen Mähdrescher-Skeptiker von den Vorteilen des Verfahrens zu überzeugen.

Rasantes Wachstum

Die neue Produktstrategie mit dem Fokus auf den Mähdrescher sollte sich für das Unternehmen bezahlt machen. Innerhalb der nächsten Jahre legte die Firma einen regelrecht kometenhaften Aufstieg hin. Mit gerade mal 127 Mitarbeitern hatten die Gebrüder Claas bei Kriegsende 1945 neu angefangen. Nur fünf Jahr später hatte sich die Zahl auf 660 Mitarbeiter erhöht und damit mehr als verfünffacht. Um die hohen Nachfrage der Folgejahre produktionsseitig bedienen zu können, musste das Unternehmen nicht nur auf die genannten neuen Produktionsstandorte ausweichen, sondern warb auch aus dem Ausland, insbesondere aus Spanien, zahlreiche neue Mitarbeiter an.

Auf dem Höhepunkt der Mähdrescherproduktion im Jahr 1965 standen schließlich über 5.300 Mitarbeiter beim Harsewinkeler Landmaschinenhersteller in Lohn und Brot. Im Durchschnitt wuchs die Mähdrescherproduktion seit 1945 jährlich um etwa 80 Prozent. Ähnlich beim Umsatz: dieser war von etwa 12 Mio. DM im Jahr 1949 auf über 370 Mio. DM im Jahr 1965 angestiegen.

Mit seiner zunehmenden Verbreitung übernahm der Mähdrescher in wenigen Jahren umsatzmäßig die Führung in der Landmaschinenindustrie. Dabei lag der gesamte Umsatz der CLAAS Werke mit 288 Millionen DM im Jahr 1961 bei über 50 Prozent der gesamten deutschen Mähdrescherindustrie. Damit war CLAAS innerhalb von zwei Jahrzehnten nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu einem der führenden Mähdrescher- und Landmaschinenproduzenten aufgestiegen. Das ehemals kleine, ostwestfälische Familienunternehmen, das mit dem patentierten Knoter und Strohbindern begann, war in der internationalen Landtechnik nun zu einer festen Größe herangewachsen.

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